In Beaufort wird die Windstärke gemessen. Beaufort ist aber auch der Name der wichtigsten Triennale für zeitgenössische bildende Kunst an der belgischen Küste. Bereits zum siebten Mal weht der Kunstwind dieses Jahr an Belgiens Nordsee: Vom 27. Mai bis zum 7. November präsentieren zwanzig belgische und internationale Künstler und Künstlerinnen ihre Werke in Nachbarschaft zum Meer. Neue Werke werden präsentiert, aber es wird auch ein Blick auf die vergangenen Festivals geworfen.
Seit dem ersten Festival 2003 war es das Ziel der Ausstellungsmacher, einem breiten Publikum Kunst kostenlos zu präsentieren – und dies vor der Kulisse der Nordseeküste. Kunst und Kultur sollten in Dialog treten. Raus aus dem Elfenbeinturm des Museums, war das Motto. Kunst sollte für jedermann erfahrbar gemacht werden. Möglich wurde dies, weil alle Küstengemeinden an einem Strang zogen.
In diesem Jahr entschied sich Kuratorin Heidi Ballet für eine weitere Öffnung des Konzepts. So befasst sich die diesjährige Ausstellung auch mit dem Thema Klimawandel. Gefragt wird aber nicht, was der Mensch mit der Küste macht, sondern, was die Küste mit dem Menschen macht.
Es ist vielleicht kein Zufall, dass gerade die Küstenregion sich durch große Innovationskraft auszeichnet. So wird von Sealicon Valley und North Sea Think Tank gesprochen, eine „blaue Wirtschaft“ soll die Region zukunftsfähig machen, die „Meereswirtschaft“ neue Möglichkeiten eröffnen. Das Kunstfestival spiegelt die weitreichenden Ambitionen der Küstengemeinden wider. Hier arbeitet man mit Hochdruck an Lösungen für die Klima-, Energie- und Rohstoffprobleme unserer Zeit.
Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass Wissenschaftler davon ausgehen, dass der Nordseespiegel im Jahr 2050 etwa 30cm höher sein wird als heute. Anstatt Betondämme zu bauen, setzt man an der belgischen Küste auf neue Konzepte. So wurden Pilotprojekte für Muschelriffe und Uferschutz mit Seegras gestartet – nachhaltige, naturnahe Initiativen, die Europa mit Interesse verfolgt.
Ein solcher Uferschutz hört sich einfach an – ist er aber nicht. Es erfordert eine intensive und langfristige Zusammenarbeit zwischen Wasserbauern, Architekten, Städteplannern und Ökologen. Nur wenn die verschiedenen Spezialisten zusammen arbeiten, können Lösungen erarbeitet werden, die allen nutzen.
Auch die belgische Marine unterstützt die blaue Wirtschaft. In diesem Sommer wird zum Beispiel ein hochmodernes Seelaborschiff „Belgica“ , das über 50 Prozent mehr Kapazität als sein Vorgänger verfügt, an den Marinestützpunkt in Zeebrügge geliefert. Hier zeigt sich eine neue Dynamik in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Marine.
Und ja, die blaue Wirtschaft beeinflusst auch die Kunst. Die slowenische Künstlerin Robertina Šebjanič hat ein zum Beispiel eine Projekt entworfen, um die Landschaft zum Klingen zu bringen. Ihre „Aquatocene-Klanglandschaft“ will uns die Ohren öffnen für die Lärmbelästigung unter Wasser, denn der Krach des Menschen dringt auch in die Tiefen des Meeres. Das Werk ist in den Venezianischen Galerien in Ostende zu hören.
Neben den aktuellen Werken des Beaufort 2021 ist aber auch ältere Kunst zu bewundern. Von Anfang an wurden eigens für das Beaufort-Festival geschaffene Werke mit bestehenden Arbeiten kombiniert, die auf Zeit ausgeliehen waren. Die Küstengemeinden kauften aber auch regelmäßig Werke und nach sechs Triennalen ist mittlerweile ein großer Bestand an öffentlicher Kunst entstanden. Man könnte davon sprechen, dass die gesamte belgische Küste, von De Panne bis zu Knokke, zu einem Skulpturenpark wurde. Das wäre dann allerdings ein riesiger Kunstpark, denn die Küste ist fast 70 km lang!
Wer nun neugierig geworden ist, der kann ab dem 27. Mai bei den Tourismusbüros der Küstengemeinden Broschüren und Pläne erhalten. Sie können die neuen und ständigen Werke mit dem Auto oder der Küstenstraßenbahn besichtigen. Oder Sie entscheiden sich für eine der geführten Fahrradtouren im Programm von stadtfuehrung.be.
Bob Beelen
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